Prolog der Autoren

 

„Der Weinstock tritt nur mit der Weinkultur zusammen in die Geschichte ein, die Entstehung der Weinkultur fällt bei den alten Weinbau treibenden Völkern in vorgeschichtliche Zeit und wird von ihnen darum in die heroische Sagenzeit oder die Göttermythe verlegt. Von größter Bedeutung für den deutschen Weinbau war der gallische, der, unabhängig von den Römern begründet, durch die römische Kultur vervollkommnet und unter der Römerherrschaft trotz entgegenstehender Gesetze derartig ausgebreitet wurde, dass er als Vater des deutschen Weinbaus zu betrachten ist.“ So beschreibt Friedrich von Bassermann-Jordan in den ersten Kapiteln seiner „Geschichte des Weinbaus“ (1906-1907) den Eintritt des Weinstocks in die Geschichte. Und weiterhin beschreibt er in seinem bekannten Standardwerk an vielen Stellen, wie die Menschen der jeweiligen Zeitepochen auf den Weinbau und die Weinkultur Einfluss nahmen, um den Wein als Kulturgut zu fördern und auch den gesellschaftlichen sowie weinbaupolitischen und wirtschaftlichen Zeitverhältnissen anzupassen. So ist es bis heute geblieben und so wird es wohl auch in Zukunft sein.

 

Vor diesem Hintergrund wurden und werden immer wieder Grundsätze der allgemeinen Betriebs- und Wirtschaftslehre entwickelt, nach denen beispielsweise Rebflächen und Weingüter zu bewirtschaften und die dabei erzeugten Weine zu vermarkten sind. Demgegenüber hat die besondere Betriebs- und Wirtschaftslehre „die Anwendung solcher Grundsätze für ein bestimmtes Land, ein enger begrenztes geographisches oder Rechtsgebiet für eine bestimmte Zeitspanne zu lehren und zu vertiefen“, wie es der Agrarökonom Friedrich Aereboe (1865-1942) im Vorwort seines Werks der „Allgemeinen landwirtschaftlichen Betriebslehre“ (1919/20) formulierte. Es sind demzufolge sowohl Standort gebundene als auch Zeit gebundene wirtschaftspolitische Einflüsse zu betrachten.

 

Es ist das Anliegen der Autoren, in diesem Buch aufzuzeigen, wie im Zeitraum von 1930 bis 1945 – vor allem ab der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 – der deutsche Wein und Weinbau von der Agrarwirtschaft und Agrarpolitik im nationalsozialistischen Deutschen Reich beeinflusst und mitgeprägt worden sind. Dabei werden die umfangreichen Veränderungen der landwirtschaftlichen Produktionsstrukturen und der dazugehörigen Verbandsstrukturen sowie die Gesetzgebung an vielen Fallbeispielen beschrieben. Die damalige „Blut- und Boden-Ideologie“, die von dem „Reichsbauernführer“ propagiert wurde, wird ebenso dargestellt wie die offiziell propagierten Bemühungen der Autarkie- und Unabhängigkeitsbestrebungen gegenüber Importen aus dem Ausland.

 

Es wird geschildert, wie die Landwirtschaft und der Weinbau in die so genannten „Vierjahrespläne“, in die Erntedank- und Reichsbauerntage, in die Propaganda und Weinfeste und viele andere NS-Strategien eingebunden wurden. Ebenso werden Ergebnisse der damaligen Forschung im Weinbau aufgezeigt bis hin zu den genossenschaftlichen Zielsetzungen. Nicht verschwiegen wird die Zeit des „arischen“ antijüdischen Weinhandels der 1930er Jahre.

 

Darüber hinaus wird dargestellt, wie die damaligen „Erzeugungsschlachten“ im Zeichen des Zweiten Weltkriegs sich zu „Kriegs-Erzeugungsschlachten“ entwickelten und welches Verhältnis NS-Führer zum Wein hatten.

 

An zahlreichen Beispielen werden statistische Daten für alle die geboten, die sich über die Entwicklung der Rebflächen und die Produktionsmengen in der Zeit von 1930 bis 1945 unterrichten wollen. Ein umfangreiches Literatur- und Quellenverzeichnis bietet weiterführende Hinweise.

 

Das Buch will schließlich die Fülle des Wissens und Sehenswertes durch Texte und Fotos aus dem behandelten Zeitraum nahe bringen und ein „Wein-Porträt“ aus einer geschichtlich sehr schwierigen Zeit von Deutschland entstehen lassen, das bislang in der Literatur noch nicht umfassend bearbeitet wurde und daher weitgehend unbekannt ist.

 

Worms, im Sommer 2010

                                                            Hartmut Keil

                                                            Felix Zillien

 

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