Prolog

Das vorliegende Büchlein „Piffche-Bahnfahrt durch Rheinhessen / Piffsche-Bahnfahrd dorsch Rhoihesse“ ist zweisprachig – auf Hochdeutsch und in rheinhessischem Dialekt.

 

Die mundartliche Schreibweise lehnt sich weitgehend an die deutsche Rechtschreibung an und orientiert sich am „Rheinhessischen Mundart-Lexikon“ (ISBN 978-3-937782-83-6). „Es werd also so gschriwwe bzw. gschribbe, wie mer’s babbeld.“ Der Nasallaut a – wie im franzöischen Vornamen Jean – wurde als ă geschrieben. So wird z.B. „Jean“ zu „Schăă“.

 

Rheinhessisch zählt zu den rheinfränkischen Dialekten. Es gibt jedoch keine einheitliche rheinhessische Mundart. Sie ist von Stadt zu Stadt bzw. von Ort zu Ort mitunter recht unterschiedlich. Für „wir haben“ kann man je nach dem, wo man sich in Rheinhessen befindet, hören: „mir habbe“, „mir habben“, „mir hawwe“,  „mir hawwen“, „mir hamm“, „mir hann“, „mir hänn“, „mir hunn“ oder „mir honn“.

 

Auch „ein einziger Einser“ kann sich in rheinhessischer Mundart unterschiedlich anhören: „aan aanzische Aanser“, „ăăn ăănzische Ăănser“, „ään äänzische Äänser“ oder „oon oonzische Oonser“.

 

Analog ist eine kleine Toilette „en klaane Klo“, „en klăăne Klo“, „en klääne Klo“ oder „en kloone Klo“.

 

Die rheinhessische Mundart zeichnet sich also durch mehrere Varianten bzw. Untergruppen aus. Oder anders ausgedrückt: Rheinhessisch – mehr als ein Dialekt!

 

Betrachtet man den Wortschatz in der rheinhessischen Mundart, so ist dieser in der Hauptsache germanischen Ursprungs. Einen nicht unerheblichen Einfluss auf diesen Wortschatz hatte vor allem das Französische – eine romanische Sprache. Dieser stammt hauptsächlich aus der Zeit von 1797 bis 1813. Damals gehörten wir als Departement Donnersberg (Département du Mont Tonnerre) zur „Grande Nation“.

 

Neben dem französischen gab es auch noch einen jiddischen Einfluss auf unseren Dialekt. Worte wie „Moos“, „Kies“ oder „Pinke-Pinke“ (jeweils für Geld) sind jiddischen Ursprungs.

 

Der Dialekt in Rheinhessen ist in den letzten Jahr­hunderten entstanden bzw. hat sich in diesem Zeitraum zu der heutigen Form entwickelt. Er gilt daher rein sprachwissenschaftlich gesehen als „neugermanische Sprache“.

 

Rheinhessen gibt es seit 1816. Nun stellt sich die Frage: „Seit wann gibt es ‚rheinhessische Mundart’?“ Im Laufe des 19. Jahrhunderts sprach man, was die Dialekte in Rheinhessen betrifft, von „hessisch-pfälzisch“. Erst nach Beginn des 20. Jahrhunderts – also noch vor dem 1. Weltkrieg – wurde erstmals von „rheinhessischer Mundart“ gesprochen.

 

Schorsch und Heiner sprechen übrigens die südrheinhessische Variante, genauer: den Dialekt von Worms, noch genauer: die Mundart, wie sie in den nordwestlichen Bereichen der Stadt Worms gesprochen wird.

 

Beide wohnen schon lange in der Innenstadt von Worms. Sie stammen allerdings aus den besagten nordwestlichen Stadtteilen. Daher sprechen beide immer noch den Dialekt, wie sie ihn als Kind schon gelernt haben. Für „ein Stückchen Seife“ sagen sie z.B. daher nicht: „ää Schdiggsche Sääf“ (was in der Innenstadt von Worms üblich wäre), sondern „ăă Schdiggsche Saaf“.

 

Der Vater von Schorsch stammte aus der Pfalz; der von Heiner kam aus Zentral-Rheinhessen. Die Mütter der beiden waren Großcousinen; eine aus dem ehe­maligen Landkreis Worms, die andere aus einem Wormser Vorort. Demzufolge sind Schorsch und Heiner Urgroßcousins. Aber es ist nicht die Verwandt­schaft, die beide verbindet, sondern die Tatsache, dass sie sich schon seit ihrer Kindheit kennen. Damals, als sie noch kleine Kinder waren, war es üblich, dass in der Verwandtschaft bestimmte Geburtstage groß gefeiert wurden – groß nicht im Sinne eines großen Festes, sondern was die Anzahl der anwesenden Personen aus der Verwandtschaft betraf. Und Schorsch und Heiner durften, besser gesagt mussten, immer mit zu solchen Geburtstagsfeiern. Aber sie taten das gerne. Ganz besonders, wann es um den Geburtstag von Großonkel Jakob aus Leiselheim ging. Der hatte immer im Herbst Geburtstag. In dieser Zeit wurde auch gerade gekeltert – und es gab Most, frisch von der Kelter. Schorsch und Heiner bekamen dann immer einen frischen Traubensaft von der Scheurebe. Der war nicht nur süß, was Kinder gerne mögen, sondern hatte auch noch ein auffallend schönes Aroma. Das schmeckte den beiden Buben besonders gut – und natürlich auch dem Großonkel Jakob. Schorsch behauptet heute noch, dass er damals schon seine Vorliebe für die Scheurebe entdeckt hat.

 

Schorsch und Heiner sind trotz bzw. besser gesagt wegen der Scheurebe gesund und munter groß geworden. Sie blieben seit ihrer Kindheit verbunden und sind es heute noch. Sie verstehen sich blendend, ganz besonders, wenn es um Weine geht. Parteipolitisch sind sie unterschiedlich, der eine ist mehr „schwarz“, der andere mehr „rot“. Aber das macht nichts; sie sind auch in diesen Bereichen sehr tolerant und akzeptieren durchaus meistens – nicht immer – die Meinung des anderen. Beide sind auf jeden Fall überzeugte und bekennende Rheinhessen. Sind sie daher Alles in Allem nicht ein bisschen wie du und ich?

 

Wenn Sie nun die Mundart-Version in diesem Büch­lein lesen, ein kleiner Tipp: Lesen Sie laut! So liest es sich einfacher. Auch „Nichtrheinhessen“ werden dann feststellen können: „Ich kann ja rheinhessisch lesen!“

 

Worms/Rheinhessen, im Februar 2016
Hartmut Keil

 

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Vorwort von Jens Guth, MdL

 

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